Was man für Geld nicht kaufen kann

Die moralischen Grenzen des Marktes

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  • Buch auf Amazon
  • ISBN: 978-3550080265
  • Mein Rating: 7/10

In Was man für Geld nicht kaufen kann beschäftigt sich der Autor mit der Frage, was man nicht kaufen können sollte.

Das Buch regt zum Nachdenken an über den Einzug von Marktmechanismen in Bereiche, die bisher nach anderen Normen funktionierten, und die daraus resultierenden Folgen. Der Autor unterstützt dies mit zahlreichen realen Beispielen. Als störend empfand ich, dass sich der Autor häufig wiederholt und ich hatte auch den Eindruck, als musste er eine bestimmte Anzahl von Seiten füllen. Weniger wäre mehr gewesen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass etwas fehlt, da ich mich am Ende fragte, "Und was jetzt?".

Meine Notizen

Einführung: Märkte und Moral

Wir brauchen eine öffentliche Debatte darüber, was es heisst, die Märkte in ihre Schranken zu weisen. Und als Voraussetzung für diese Debatte müssen wir die moralischen Grenzen der Märkte durchdenken. Wir müssen uns fragen, ob es Dinge gibt, die für Geld nicht zu haben sein sollten.

In einer Gesellschaft, in der alles käuflich ist, haben es Menschen mit bescheidenen Mitteln schwerer. Je mehr für Geld zu haben ist, desto schwerer fällt der Reichtum (oder sein Fehlen) ins Gewicht.

Um entscheiden zu können, was für Geld zu haben – und nicht zu haben – sein sollte, müssen wir darüber nachdenken, welche Werte die unterschiedlichen Bereiche des sozialen und staatsbürgerlichen Lebens beherrschen sollten.

Manche Dinge werden beschädigt oder herabgesetzt, wenn man sie in Waren verwandelt. Um also entscheiden zu können, wo der Markt hingehört und wo er auf Abstand gehalten werden sollte, müssen wir darüber nachdenken, wie wir die fraglichen Güter bewerten – Gesundheit, Ausbildung, Familienleben, Natur, Kunst, Bürgerpflichten und so weiter. Dies sind moralische und politische und nicht bloss ökonomische Fragen.

Privilegien

Für einen Ökonomen stehen lange Schlangen bei Gütern und Dienstleistungen für Vergeudung und Ineffizienz; sie sind ein Hinweis, dass das Preissystem es nicht geschafft hat, Nachfrage und Angebot zur Deckung zu bringen. Lässt man die Leute für eine schnellere Abfertigung am Flughafen, in Vergnügungsparks und auf Autobahnen bezahlen, verbessert das die wirtschaftliche Effizienz – weil die Zeit der Menschen mit einem Preis versehen wird.

[...] die Ethik der Warteschlange – "immer der Reihe nach" – [wird] durch die Ethik des Marktes ersetzt: "Man bekommt, was man bezahlt hat". Und diese Verschiebung spiegelt eine umfassendere Bewegung: das zunehmende Übergreifen des Geldes und der Märkte auf Lebensbereiche, die einst von anderen Normen beherrscht wurden.

Ihr [der meisten Ökonomen] Plädoyer für die Herrschaft der Märkte beruft sich auf zwei Argumente. Eines speist sich aus der Achtung für die Freiheit des Einzelnen, das andere stellt den Gedanken der Nutzenmaximierung ins Zentrum der Überlegungen. Ersteres ist ein Argument der Libertarianer, die davon ausgehen, dass Menschen frei kaufen und verkaufen dürfen, was ihnen beliebt, solange sie nicht die Rechte anderer verletzen. [...] Das zweite Argument für die Märkte [...] gründet sich auf utilitaristische Überlegungen. Demnach nützt der Austausch auf dem Markt sowohl Käufern als auch Verkäufern, wodurch das Gemeinwohl oder der gesellschaftliche Nutzen insgesamt gesteigert wird.

Die Bereitschaft, für ein Gut zu bezahlen, zeigt nicht, wer es am meisten schätzt – Marktpreise spiegeln lediglich die Fähigkeit und die Bereitschaft zu bezahlen.

Bei Korruption denken wir oft an unrechtmässig erworbene Einnahmen. Doch der Begriff umfasst mehr als Schmiergeld und rechtswidrige Zahlungen. Wird ein Gut oder eine gesellschaftliche Praxis korrumpiert, würdigt man sie herab; man legt den falschen Massstab an, um ihren Wert zu bestimmen.

Die Ethik der Warteschlange hat etwas Egalitäres. Sie lädt uns ein, Privilegien, Macht und dicke Brieftaschen zu ignorieren – zumindest für bestimmte Zwecke.

Anreize und Belohnungen

Wenn wir den moralischen Status einer beliebigen Markttransaktion einschätzen wollen, müssen wir uns vorher fragen: Unter welchen Bedingungen beruhen die Marktbeziehungen auf einer freien Entscheidung, und unter welchen Bedingungen üben sie einen gewissen Zwang aus?

Ganz allgemein scheinen finanzielle Belohnungen besser geeignet, Menschen dazu zu bringen, etwas Bestimmtes zu tun – etwa einen Arzttermin wahrzunehmen oder eine Injektion über sich ergehen zu lassen; langfristige Gewohnheiten und Verhaltensweisen lassen sich damit nicht so leicht verändern.

Ob ein Anreiz "funktioniert", hängt von der Zielvorstellung ab – und diese sollte Werte und Einstellungen mit einschliessen, die durch finanzielle Anreize untergraben werden.

Geldbussen stehen für moralische Missbilligung, während Gebühren schlicht Preise darstellen, die kein moralisches Urteil implizieren. [...] Wenn die Menschen Geldbussen als Gebühren betrachten, setzen sie sich über die Normen hinweg, die sich in Bussgeldern ausdrücken.

Wie Märkte die Moral verdrängen

Der Fairness-Einwand verweist auf die Ungerechtigkeit, die sich ergeben kann, wenn man etwas unter ungleichen Voraussetzungen oder aus nackter wirtschaftlicher Notwendigkeit gehandelt wird. Diesem Einwand zufolge kommen Tauschakte auf Märkten nicht immer so freiwillig zustande, wie die Enthusiasten des Marktes vorgeben.

Mit dem Korrumpierungseinwand verhält es sich anders. Er verweist auf die abwertenden Effekte, die sich ergeben, wenn bestimmte Güter und Verhaltensweisen durch den Markt bewertet und dort gehandelt werden. Diesem Einwand zufolge werden gewisse moralische und staatsbürgerliche Werte gemindert oder korrumpiert, wenn man mit ihnen Handel treibt. Dem ist auch nicht abzuhelfen, indem man faire Verhandlungsbedingungen schafft.

Eines der zentralen Argumente, für die Zuteilung von Gütern Märkte zu nutzen, läuft darauf hinaus, dass Märkte die Entscheidungsfreiheit achten. Sie ermöglichen es den Menschen, selbst zu entscheiden, ob sie dieses oder jenes Gut zu einem bestimmten Preis verkaufen wollen. Doch das Fairness-Argument weist auch darauf hin, dass manche dieser Entscheidungen nicht wirklich freiwillig erfolgen. Marktentscheidungen sind dann keine freien Entscheidungen, wenn manche Menschen elend arm oder nicht in der Lage sind, auf einer fairen Grundlage zu verhandeln. Wenn wir also wissen wollen, ob eine Marktentscheidung frei erfolgt, müssen wir fragen, welche Ungleichheiten in den Ausgangsbedingungen der Gesellschaft eine faire Abmachung untergraben.

Wenn man Menschen motivieren will und dabei auch an finanzielle Anreize denkt, sollte man entweder genug oder gar nichts bezahlen.

Das Geschäft mit dem Tod

Selbstverständlich sind alle Geldanlagen mit Risiken verbunden. Doch bei den hier angesprochenen Versicherungen erwächst aus dem finanziellen Risiko eine moralische Komplikation, die es bei anderen Anlageformen nicht gibt: Der Investor muss hoffen, dass die Person, deren Lebensversicherung er kauft, besser früher als später stirbt. Je länger der Versicherte durchhält, desto niedriger die Rendite.

Lebensversicherungen haben immer zwei Aspekte in sich vereinigt: die Vergesellschaftung von Risiken zur wechselseitigen Absicherung und eine makabre Wette auf den Tod. [...] Wo moralische Normen und gesetzliche Beschränkungen fehlen, droht der Wettcharakter den sozialen Zweck auszulöschen, der Lebensversicherungen überhaupt erst rechtfertigt.

Sponsoring und Werbung

Tatsächlich waren Stadien fast während des gesamten 20. Jahrhunderts Orte, wo Führungskräfte Seite an Seite mit einfachen Arbeitern sassen, wo alle in den gleichen Schlangen anstanden, um Hotdogs oder Bier zu kaufen, und wo Reiche und Arme gleichermassen nass wurden, wenn es regnete. Doch in den letzten paar Jahrzehnten hat sich das geändert. Das Aufkommen von VIP-Logen hoch über dem Spielfeld hat eine Trennlinie zwischen den Begüterten und Privilegierten und dem gemeinen Volk auf den Rängen darunter eingezogen.

Wir sind uneins in Bezug auf die Normen, die für die infrage stehenden Gebiete – Familienleben, Freundschaften, Sex, Fortpflanzung, Gesundheit, Bildung, Natur, Kunst, Bürgerrecht, Sport und das menschliche Sterben – gelten sollten. Doch genau darauf will ich hinaus: Sobald wir erkennen, dass Märkte und Kommerz den Charakter der von ihnen erfassten Güter verändern, müssen wir uns fragen, wo Märkte überhaupt hingehören – und wo nicht. Diese Frage können wir aber nicht beantworten, ohne über die Bedeutung und Zweck von Gütern, Institutionen und Handlungsweisen zu beraten – und über die Werte, die sie leiten sollten. Solche Beratungen sind unvermeidlich durch konkurrierende Vorstellungen vom guten Leben geprägt, und manchmal fürchten wir uns davor, dieses umstrittene Terrain zu betreten. Weil wir Angst vor Uneinigkeit haben, bringen wir unsere moralischen oder spirituellen Überzeugungen nur widerstrebend in die Öffentlichkeit ein. Doch diese Fragen bleiben nicht unentschieden, wenn wir davor zurückschrecken, denn damit bewirken wir einfach, dass die Märkte sie für uns entscheiden.

Neben der Debatte über die Bedeutung des einen oder anderen Gutes müssen wir auch eine weitergefasste Frage stellen: In welcher Art von Gesellschaft wollen wir leben? Wo der Verkauf von Namensrechten und das Kommunalsponsoring von unserer Lebenswelt Besitz ergreifen, schwächen sie den sozialen Zusammenhalt. Abgesehen von dem Schaden, den die Kommerzialisierung bestimmten Gütern zufügt, zersetzt sie auch die Gemeinschaft. Je mehr Dinge für Geld zu haben sind, desto eher verschwinden auch die Gelegenheiten, in denen Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten aufeinandertreffen.

Demokratie erfordert keine vollkommene Gleichheit, aber sie erfordert, dass Bürger an einer gemeinsamen Lebenswelt teilhaben. Es kommt darauf an, dass Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und Sozialstatus miteinander in Kontakt kommen und im Alltag auch einmal zusammenstossen. Denn nur so lernen wir, wie wir unsere Unterschiede aushandeln und wie wir gemeinsam dem Gemeinwohl dienen können.