Tigerherz

Die Schicksalsgeschichte eines Spitzenturners mit Epilepsie

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  • ISBN: 978-3952465400
  • Mein Rating: 6/10

Tigerherz ist die (Auto-)Biografie von Lucas Fischer, einem ehemaligen Schweizer Kunstturner, der 2013 – trotz seiner Erkrankung an Epilepsie – Vize-Europameister am Barren wurde. 2015 trat er vom Spitzensport zurück. Seither tritt er als Sänger und Turner auf, unter anderem in seiner "Lucas Fischer Show".

Ich fand Tigerherz eine interessante Biografie. Besonders beeindruckt hat mich die Offenheit, mit der Lucas Fischer über seine Epilepsie-Erkrankung spricht. Und wie er trotzdem weitergemacht hat mit dem Spitzensport. Nicht anfreunden konnte ich mich hingegen mit dem ständigen Wechsel zwischen den beiden Autoren, zwischen der Ich-Perspektive von Lucas Fischer und der Fremd-Perspektive von Katrin Sutter. Ausserdem verstand ich nicht, weshalb die Biografie mittendrin startet – mit dem ersten epileptischen Anfall –, ansonsten jedoch chronologisch erzählt wird.

Meine Notizen

Das Openair

Meine Ängste betrafen die Karriere, nicht die Gesundheit. Mein Leben war der Spitzensport. Turnen war mein Ein und Alles. Ich turnte, seit ich laufen konnte. Ich bin in der Turnhalle gross geworden. Ein anderes Leben als das eines Kunstturners konnte ich mir nicht vorstellen. Und nun lag ich im Spital und war auf einmal Kunstturner und Epileptiker.

Der Kindergeburtstag

Lucas ist im Primarschulalter längst ein Kindersportler, er trainiert jeden Nachmittag nach der Schule, ausser am Donnerstag. Dafür auch [am] Samstag, vier bis fünf Stunden. Unbeschwerte Kindheit klingt anders.

Die Unterschrift

Ich hatte zwei Mal eine Phase, wo ich aufhören wollte. Man liess mich nicht, ich musste weitermachen. Heute verstehe ich das gut, damals tat ich es nicht. Am Anfang der Turnkarriere muss man halt manchmal auch dazu gezwungen werden, so viel zu trainieren.

Ich hatte [...] auch eine Weile Mühe mit meinem Trainer. [...] Ich gab so viel, und er wollte immer noch mehr von mir. Ich hatte das Gefühl, er war nie zufrieden. Ich verstand damals nicht, dass ich so hart angepackt wurde, weil ich so gut war.

Der Trainingsweltmeister

An den für ihn wichtigsten Wettkämpfen fällt Lucas Fischer von den Geräten, fasst ins Leere, kann nicht zeigen, was in ihm steckt. Zuerst als Junior an den Europameisterschaften in Volos und Lausanne und später dann auch bei der Elite. Weltmeisterlich war Lucas damals nur im Training. Erst Jahre später, als er wegen der Epilepsie in psychologischer Behandlung ist, wird er diese Blockade überwinden können.

Magglingen

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Epilepsie

Ich hatte Angst vor extrem vielen Sachen. Nur schon, wenn ich alleine irgendwohin gehen musste. Ständig war da die Angst, ich könnte einen Anfall haben.

Lucas [...] hat eine sogenannte Grand-mal-Epilepsie. Bei dieser Form der Epilepsie verliert man in der Regel das Bewusstsein, stürzt, krampft, wenige Sekunden bis maximal drei Minuten lang.

Tokio

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Singen

Als die Medien über meine Epilepsieerkrankung berichteten, erhielt ich viele Reaktionen. [...] Ich spürte zum ersten Mal, dass ich mit der Art, wie ich mit meinem Schicksal umgehe, auch helfen kann. Sie schrieben mir zum Beispiel, ich hätte ihnen neuen Lebensmut gegeben, ich hätte ihnen Kraft verliehen, wieder aufzustehen, einen neuen Weg zu finden.

Silber

Die Silbermedaille. Das persönliche Gold. Lucas hängt sie neben sein Bett. Erster Blick am Morgen, letzter am Abend. Silber. Endlich. Er hat es geschafft. Lucas Fischer ist Vize-Europameister. 19 Jahre Training. Für diesen Moment, für diese Medaille neben dem Bett.

"Back right now"

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Der Rücktritt

Dauernd dachte ich, ich hätte so viel mehr erreichen können. Ich war gefangen in einer Schlaufe aus negativen Gedanken. Heute ist das zum Glück anders, heute bin ich dankbar dafür, was ich alles erleben durfte, und ich bin dankbar für die Silbermedaille. Aber damals dachte ich vor allem daran, was mir entgangen ist.

Der Rücktritt kann für Spitzensportler ein Problem sein. Vor allem dann, wenn er zu früh kommt. Wer nicht reüssieren konnte, wie er wollte – oder wer auf das Karriere-Ende noch nicht vorbereitet war. Lucas hat seit 20 Jahren fast nichts anderes gemacht, als 30 Stunden die Woche auf Olympia hinzuarbeiten. Sein Weg war klar, die Trainer zeichneten ihm vor, setzten Etappen fest. Immer wieder gab es Umwege, aber das Ziel hatte Lucas nie aus den Augen verloren. Und jetzt gibt es das Ziel nicht mehr und statt eines vorgezeichneten Weges ganz viele. Welchen soll er gehen? Und wer hält nun seine Hand, führt ihn? Lucas fühlt sich verloren.