Immer noch ich

Mein Weg zurück ins Leben

von

  • Buch auf Amazon
  • ISBN: 978-3550081187
  • Mein Rating: 7/10

Anfangs 2009 unterzieht sich die Autorin – eine bekannte Sportmoderatorin – einer Gehirnoperation zur Entfernung eines Angioms. Doch es kommt zu Komplikationen. Und auch bei einer Folgeoperation kommt es wieder zu Komplikationen. Die Prognosen sind düster: lebenslanger Pflegefall. In Immer noch ich schildert die Autorin ihren langjährigen, beschwerlichen Weg zurück vor die Kamera, wie sie wieder lernen musste zu essen, zu gehen und zu sprechen, und erzählt von ihrem neuen Leben mit Handicap. Auch ihre nächsten Angehörigen – die Mutter, die Schwester, und ihr damaliger Partner – kommen immer wieder zu Wort.

Ich fand Immer noch ich ein interessantes Buch und es hat mich stark beeindruckt, wie die Autorin den Weg zurück gemeistert hat. Eine gute Idee fand ich den Einbezug der Angehörigen, wenngleich ich deren Beiträge als zu kurz empfand. Als etwas störend empfand ich den leicht jammernden Unterton: anstatt sich über Fortschritte zu freuen, ist der Fokus vielfach auf dem, was (noch) nicht geht und wie frustrierend dies ist...

Meine Notizen

Prolog

Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es eben noch nicht das Ende.

Stunde null

Ich bin durch die wenigen Wochen, die mir bis zum Eingriff noch blieben, durchmarschiert, wie sonst auch, wenn ich mir etwas vornehme. Damit, wie kritisch das alles werden könnte, wollte ich mich nicht auseinandersetzen. Ehrlich gesagt habe ich trotz Aufklärung vielleicht auch nicht alles erfasst. Man sitzt da, hört zu, irgendwie rauscht es an einem vorbei.

Der grosse Knall

Im OP hatten die Ärzte wie Löwen gekämpft, um die Blutung zu stillen und den Hirndruck abzusenken. Alle gingen davon aus, dass die Lebensfunktionen so geschädigt waren, dass ich es nicht schaffen würde. Es ging letztlich nur noch darum, mich so weit zu stabilisieren, dass alle Abschied nehmen konnten.

Für Angehörige muss der Anblick eines geliebten Menschen, der nur durch einen hindurchstarrt, entsetzlich sein. Ein leerer Blick und immer die Angst, dass es so bleibt.

Wenn sie zu mir kamen, rissen sich alle zusammen. Sie wollten mir zeigen, dass sie da waren, an mich glaubten. Sie wollten auf keinen Fall, dass ich irgendetwas von ihrer Verzweiflung mitbekam. Immer positiv sein, weil man nicht sicher wusste, wie weggetreten ich tatsächlich war.

Alles auf Anfang

An guten Tagen wurde ich nun nicht mehr länger nur "durchbewegt", sondern auch so weit mobilisiert, dass man mich in einen speziellen Rollstuhl mit Kopfstütze heben konnte. Wie ein Sack Kartoffeln muss ich da dringehangen haben. Aufrecht sitzen oder auch nur den Kopf von alleine halten konnte ich nicht.

Sie haben zu uns gesagt, dass Monica nach aktuellem Stand der Dinge nie wieder das Bewusstsein erlangen wird.

Einmal Hölle und zurück

Ich hatte ein zweites Mal überlebt, das stand fest. Mehr aber auch nicht. Ein zweites Mal waren die Prognosen düster. Viel düsterer als nach der ersten Operation. Vor allem was mein Bewusstsein anging.

So eine Wachkomaphase ist das brutalste überhaupt. Wenn vermeintlich die ersten Zeichen des Aufwachens da sind, wenn ein Finger zuckt, die Augen offen sind – und wenn man dann feststellen muss, das sind nur Reflexe, sie ist nicht da. Die Augen sind starr, da ist nichts, gar nichts. Das mit anzusehen, das aushalten zu müssen war einfach grauenvoll.

Als ich nach Allensbach kam, war ich kaum mehr als eine lebende Leiche. Meine Muskulatur hatte sich komplett zurückgebildet, ich war nur noch Haut und Knochen.

Die Sprache verloren zu haben, war ein furchtbares Gefühl. Ich hatte immer mit Sprache zu tun, im Studium, beim Radio, beim Fernsehen. Sie Stück für Stück wiederzufinden war für mich vielleicht sogar wichtiger, als mich wieder voll bewegen zu können.

Frau Meyer sagt "Tschüss!"

-

Endlich zu Hause

Ich konnte nach meiner Rückkehr aus Allensbach einigermassen stehen, ein paar Schritte gehen, wenngleich wackelig und gestützt. Bei allem anderen war ich auf Hilfe angewiesen. Aufstehen, ins Bad gehen, duschen, anziehen, die Treppe hinauf oder hinunter, nichts konnte ich allein. Das war für mich die grösste Hürde, dass ich beinahe rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen war. Ich bin ein Mensch, der gerne allein ist, der das nicht nur aushält, sondern auch manchmal braucht; seit einem Jahr war ich zumindest tagsüber immer von Menschen umgeben, die etwas mit mir machten, mit mir trainierten, an mir herumzupften, mich untersuchten, meine Fortschritte bewerteten.

Die Verzweiflung war an manchen Tagen sehr viel grösser als der Lebensmut. Das waren dann Situationen, in denen ich Sätze sagte wie: "Ich wäre lieber tot, als all das hier ertragen zu müssen, ich will das alles nicht mehr." Im Rückblick war es sicher eine Kombination aus eigener Disziplin und dem Enthusiasmus meiner Familie, die mich am Leben gehalten hat.

Deckname "Mona Lisa"

[...] vor allem aber das penetrante Starren mancher Leute [hat] mich fertiggemacht. Irgendwann war ich so weit, dass ich nicht mehr aus dem Haus gehen wollte. Wenn die Menschen meinen Anblick nicht ertragen konnten, wenn ich sie dadurch provozierte oder überforderte, dann musste ich mich eben vor ihnen verbergen.

Der Schritt nach draussen war ein sehr grosser. Auch, weil der Rahmen [Verleihung der Goldenen Kamera] sehr gross war. Letztlich musste er das auch sein, weil ich diesen einen Auftritt machen und hinterher wieder meine Ruhe haben wollte. Ich wollte möglichst vielen Menschen zeigen: Da bin ich wieder. Und vor allem: So bin ich jetzt. Ich war früher eine andere, aber nun setze ich alles daran, mein neues Leben zu meistern.

Die täglichen Therapien waren nichts, was ich mit grosser Begeisterung machte. Ich war oft antriebslos, weil es immer nur darum ging, Dinge, die ich ja schon einmal gekonnt habe, wieder neu zu lernen. Das konkrete Ziel [der Fernsehauftritt], mit einem Datum, an dem es nichts zu rütteln gab, pushte mich enorm.

Mein Held

Jeder hat andere Belastungsgrenzen, und wo diese Grenzen liegen, kann man vorher nie genau sagen. In solchen Extremsituationen lernt man nicht nur sich noch einmal ganz neu kennen, auch sein Umfeld. Und manchmal trennt sich dann "die Spreu vom Weizen". Das ist in Beziehungen so, im Freundeskreis, selbst in Familien.

Arbeit ist die beste Therapie

Meine Mutter hat einmal gesagt: "Hätten wir gewusst, wie lange das dauert und dass es bis heute andauert, wir wären darüber verzweifelt." Ich bin darüber verzweifelt, immer wieder; und immer wieder habe ich mir gesagt, es bringt ja nichts, es muss ja weitergehen. Ich weiss allerdings nicht, ob ich die Kraft und Disziplin über einen so langen Zeitraum aufgebracht hätte, wenn ich die Unterstützung meiner Familie nicht gehabt hätte. Wenn sie nicht so bedingungslos an mich geglaubt hätte. Und wenn ich nicht immer wieder ein Ziel gehabt hätte, für das es sich zu kämpfen lohnt.

Wer nach den Sternen greift...

Vorher, nachher. Ich weiss, dass es so ist, trotzdem kann ich diese Unterteilung für mich nicht annehmen. Auch wenn ich nicht jeden Tag die Kraft habe weiterzukämpfen, manchmal auch den Mut verliere, marschiere ich doch weiter. Weil ich ein Ziel habe.

Licht und Schatten

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In jedem Abschied liegt ein Neuanfang

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Bruch mit einem Tabu

[...] das Leben mit Einschränkungen [ist] in unserer Gesellschaft keineswegs so selbstverständlich, wie es sein sollte.

Wer vorher gesund war und dann durch einen Schicksalsschlag mit Behinderungen oder Schmerzen zu kämpfen hat, ist ja noch im Kern der "alte Mensch". Er fühlt sich noch so wie im alten Leben, und es ist, zumindest für mich, manchmal sehr schwer, in einem neuen Körper ein neues Leben zu bewältigen.

Epilog

Mein Leben ist anders geworden, aber es ist trotzdem noch mein Leben. Ich habe nur dieses eine – und ich habe sehr darum ringen müssen, dass ich es überhaupt behalten habe. Der Kampf zurück war nicht leicht, aber er hat sich gelohnt. Denn ich habe vieles dabei gelernt. Darüber, was ein Mensch aushalten kann, und auch, welche Selbstheilungskräfte in unserem Körper stecken. Darüber, dass man unendlich viel schaffen kann, auch wenn die dunkelsten Stunden ganz finster sind. Mit dem Glauben an sich selbst, mit dem Glauben an den Partner oder die Familie, an die Liebe und die Kraft des engsten Umfelds können wir alle viel mehr schaffen, als wir uns selbst zutrauen. Leider muss man manchmal erst in eine so extreme Situation geraten, bis man das merkt.

"Nicht aufgeben", das ist manchmal schnell dahingesagt. Jeden Tag den inneren Schweinehund zu überwinden und weiterzumarschieren, das kostet Energie. Aber wenn man dann zurückblickt und sieht, welche Wegstrecke man bereits geschafft hat, gibt einem das enorm viel Kraft für die nächste Etappe.