Anonym

von

  • Buch auf Amazon
  • ISBN: 978-3805250856
  • Mein Rating: 8/10

Kommissar Daniel Buchholz vom LKA Hamburg und seine neue Partnerin Nina Salomon sind mit einem brutalen Mord konfrontiert. Wie sich herausstellt, ist das Opfer der "Gewinner" einer Abstimmung in einem Forum im Darknet. Und bereits läuft die nächste Abstimmung für das nächste Opfer. Die Polizei ist machtlos, weder gelingt es ihr, das Forum vom Netz zu nehmen, noch den Täter ausfindig zu machen. Sie kann nur warten und zusehen, wie die angekündigten Morde ausgeführt werden. Frustriert darüber, keine Fortschritte zu machen, entschliesst sich Nina, sich selbst als Kandidatin für diese Abstimmungen zu nominieren...

Ich fand Anonym ein fesselndes Buch und konnte es kaum mehr weglegen. Der Stil war anfangs etwas ungewohnt, wird die Geschichte doch abwechslungsweise aus den Ich-Perspektiven der beiden Polizisten erzählt. Dadurch kommen die Frustration und Ohnmacht, die angekündigten Morde nicht verhindern zu können, sehr schön zum Ausdruck. Gelegentlich kommt auch noch die Täter-Perspektive ins Spiel, doch leider zu selten. Dies dürfte mit ein Grund dafür sein, dass ich das Motiv des Täters nicht nachvollziehen konnte.

Zitate aus dem Buch

Wenn ihr der Zustand ihrer Wohnung ebenso wichtig ist wie der ihrer Kleidung, möchte ich sie lieber nicht betreten.

"Das heisst, der Täter hat Kornmeier irgendwie dieses Blutverdünnungszeug eingeflösst und dann eine Stunde lang gewartet, bevor er ihn mit Glasscherben gefüttert hat?"

Wie komfortabel, von Japan oder Norwegen aus mitentscheiden zu können, wer leben und wer sterben soll. Ein Teil des Spiels zu sein und gleichzeitig nicht Gefahr zu laufen, sein Opfer zu werden. Spannung ohne Risiko, und alle Plätze liegen in der ersten Reihe.

Der Tötungsakt wird völlig anders ablaufen als beim letzten Mal und definitiv eine Steigerung bieten. Das ist wichtig. Auf keinen Fall will er sich wiederholen oder auch nur selbst zitieren, und noch weniger darf er hinter seiner letzten Darbietung zurückbleiben. Er wird den einen ein Spektakel liefern und den anderen ihre Hilflosigkeit vor Augen führen.

"Beim nächsten Mal [...] kannst du dich sehr gerne verabreden, mit wem du möchtest. Mit einer Ausnahme, und das bin ich."

Ich kann meinen Blick nicht von den Balken wenden. Die Menschen machen mit, stimmen über das Sterben eines anderen ab.

"Zu viele Hinweise sind schlimmer als gar keine, wir haben null Chance, allen nachzugehen. [...] Und dann stell dir mal vor, jemand nennt uns das richtige Opfer, und wir reagieren nicht."

"Ich bin Polizeibeamtin und habe das Bedürfnis, dieses Schwein umzubringen. Kannst du das verstehen?"

Normalerweise sehe ich Verbrechensopfer erst, wenn sie bereits tot sind; dieses habe ich sterben sehen. Mir war bisher nicht klar, was für einen riesigen Unterschied das macht.

Ich lese langsam, zwinge mich, zu begreifen, dass die lächerlich banalen Dinge, die dort aufgeführt sind, tatsächlich Gründe sein sollen, einen Menschen zu töten.

Aber jetzt mal ehrlich, wenn du anfängst, Kindermord in Erwägung zu ziehen, hört der Spass auf. Auch, wenn es ein sadistisches Arschlochkind ist.

Ich sehe aus, als hätte man mich erst kürzlich exhumiert.

Ich [...] betrachte die Schwarz-Weiss-Graphik und frage mich, wie es sein kann, dass ganze Kinofilme mit im Computer generierten Figuren gedreht werden, die so echt aussehen wie reale Menschen, unsere Polizeisoftware aber Phantombilder ausspuckt, die wirken, als suchten wir nach einem menschenähnlichen Alien.

"Sollten wir ihn ein bisschen schütteln, damit seine drei Gehirnzellen wieder an den richtigen Platz rutschen?"

Menschen tun die widerwärtigsten Dinge, wenn sie sich sicher wähnen. Wenn sie ihr Gesicht nicht zeigen müssen. Wenn sie anonym bleiben können.

Ich habe nicht allein getötet, das waren wir gemeinsam. Jeder, der einen Vorschlag gebracht, jeder der abgestimmt hat. Ihr wart die Ankläger und die Richter, ich der Henker. Ihr habt Todesurteile gefällt, ich habe sie vollstrecken lassen.