Wie man wird, was man ist
Memoiren eines Psychotherapeuten
von Irvin D. Yalom
- Buch auf Amazon
- ISBN: 978-3442756629
Wie man wird, was man ist ist die Autobiografie von Irvin Yalom, einem US-amerikanischen Psychotherapeuten, der an der Stanford University gelehrt und zahlreiche Fachbücher und Romane veröffentlicht hat.
Mir hat Wie man wird, was man ist gut gefallen. Der Autor ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, wodurch das Buch kurzweilig ist, trotz seiner Länge von knapp 450 Seiten. Es ist jedoch auch eine gewisse Melancholie spürbar und der Autor kommt immer wieder auf das Thema "Tod" zu sprechen. Und man merkt, dass dies wahrscheinlich sein letztes Buch sein dürfte...
Meine Notizen
Die Geburt der Empathie
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Auf der Suche nach einem Mentor
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Ich will sie los sein
Immer wenn meine Mutter angespannt war, verfiel sie in primitive Denkmuster: Wenn etwas Schlimmes passierte, musste jemand die Schuld dafür haben. Und dieser Jemand war ich.
Rückbesinnung
Indem ich tatsächlich dem Ende näher komme, wandere auch ich im Kreis, immer weiter dem Anfang zu. Die Erinnerungen meiner Klienten stossen oft meine eigenen an, meine Arbeit an ihrer Zukunft appelliert an meine Vergangenheit und wühlt sie auf, und ich merke, wie ich meine eigene Geschichte noch einmal überdenke.
So viel zwischen meinen Eltern und mir ist unvollständig. So viele Dinge unseres gemeinsamen Leben wurden nie erörtert, die Spannung und das Unglück in unserer Familie, meine Welt und ihre Welt. Wenn ich mir ihr Leben vor Augen führe, wie sie in Ellis Island ankamen, ohne einen Penny, ohne Schulbildung, ohne ein Wort Englisch, kommen mir die Tränen. Ich möchte ihnen sagen: "Ich weiss, was ihr durchgemacht habt. Ich weiss, wie hart es war. Ich weiss, was ihr für mich getan habt. Bitte, verzeiht mir, dass ich mich euretwegen geschämt habe."
Vielleicht haben wir beide versagt: Er [der Vater] hat sich nie nach meinem Leben oder nach meiner Arbeit erkundigt, und ich habe ihm nie gesagt, dass ich ihn liebte.
Die Bibliothek, A-Z
Auch wenn die Strecken sich geändert haben, so verbinde ich das Radfahren doch immer mit einem Gefühl von Freiheit und Meditation [...].
[...] jeden Samstag, ohne Ausnahme, füllte ich die Satteltaschen meines Fahrrads mit sechs Büchern (das Limit der Bibliothek), die ich seit dem vorigen Samstag verschlungen hatte, und machte mich auf die vierzigminütige Fahrt, um für Nachschub zu sorgen.
Religiöser Krieg
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Der Spieler
Altern bedeutet, eine verflixte Sache nach der anderen aufzugeben.
Eine kurze Geschichte der Wut
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Der rote Tisch
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Bekanntschaft mit Marilyn
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Collegezeit
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Heirat mit Marilyn
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Meine erste psychiatrische Patientin
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Praktikum: Der mysteriöse Dr. Blackwood
Im ersten Monat meines Praktikums am Mount Sinai Krankenhaus in New York wurde ich für die Geburtshilfe eingeteilt und war verblüfft darüber, wie oft ein bestimmter Arzt, Dr. Blackwood, über die Lautsprecher des Krankenhauses ausgerufen wurde. Während ich bei einer Geburt assistierte, fragte ich den Chefarzt: "Wer ist dieser Dr. Blackwood? Ich höre seinen Namen ständig, aber ich habe ihn noch nie gesehen." [...] "Er existiert nur als ein Poker-Kürzel hier im Mount Sinai: Wenn wir beim Pokerspiel jemanden brauchen, wird Dr. Blackwood ausgerufen."
Die Jahre an der Johns Hopkins University
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Ins Paradies versetzt
Die dienstlichen Verpflichtungen [in der Armee] waren im Vergleich zu meinem Praktikum und der Facharztausbildung nicht sehr anstrengend: nach vier Jahren, in denen ich abends und am Wochenende Rufbereitschaft gehabt hatte, war dies für mich wie ein zweijähriger Urlaub.
Ankommen
Mein Vater starb, wie er gelebt hatte, still und unauffällig. Bis zum heutigen Tag bedaure ich, dass ich ihn nicht besser kennengelernt hatte.
Ein Jahr in London
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Das kurze, turbulente Leben der Encounter-Gruppen
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Aufenthalt in Wien
Ich suchte ihn [Viktor Frankl] zur Therapie auf, und nun suchte er Trost bei mir wegen der respektlosen Behandlung, die ihm seitens der Wiener Kollegen widerfuhr. Seine Klagen dauerten die ganze Sitzung an, nach den Gründen für mein Kommen fragte er mich nicht.
Jeden Tag ein bisschen näher
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Oxford und die verzauberten Münzen des Herrn Sfica
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Existentielle Therapie
Mir wurde immer klarer, dass viele der Probleme, mit denen meine Patienten kämpften – Altern, Verlust, Tod, Lebensentscheidungen wie Wahl des Berufs oder des Ehepartners – von Romanautoren und Philosophen angemessener angesprochen wurden als von Kollegen meines eigenen Gebiets.
Ich war vor allem erstaunt, wie viel Isolation mit einer tödlichen Krankheit einhergeht. Die Isolation ist ja gegenseitig: zuerst einmal sprechen die Patienten nicht über ihre bedrückenden Todesgedanken aus Angst, Freunde und Familie zu deprimieren, und zweitens sind die nächsten Angehörigen des Patienten zurückhaltend gegenüber dem Thema, um den Patienten nicht noch mehr zu belasten.
Ich sagte mir oft: die Realität des Todes mag uns zerstören, aber die Vorstellung vom Tod kann uns retten. Es bringt die Erkenntnis auf den Punkt, dass wir nur eine Chance zu leben haben, und deshalb in Fülle leben und am Ende möglichst wenig bedauern sollten.
Mit Rollo May dem Tod gegenüber
Von Anfang an war mir klar, wenn ich aufrichtig und sinnvoll darüber schreiben wollte, welche Rolle der Tod im Leben spielt, müsste ich von den unmittelbar Todgeweihten lernen, aber für diese Lektion zahlte ich einen Preis. Oft hatte ich nach der Gruppensitzung grosse Angst: Ich grübelte über meinen eigenen Tod nach, hatte Schlafschwierigkeiten und wurde oft von Alpträumen heimgesucht.
Tod, Freiheit, Isolation und Sinn
Auch wenn der Tod für mich das entfernte Donnern während unserer Lebensrast ist, bin ich auch überzeugt, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit unserer Sterblichkeit unser Leben ändern kann: Es hilft uns, das Triviale zu trivialisieren und ermutigt uns so zu leben, dass wir nichts bereuen müssen. So viele Philosophen sind wie ein Echo der Klage meiner Patientin, die an Krebs verstarb: "Warum mussten wir bis jetzt warten, bis unsere Körper von Krebs zerfressen sind, um leben zu lernen?"
Der einzige Trost, der uns beim Sterben begleiten kann, ist das Wissen, dass wir gut gelebt haben.
Stationäre Gruppen und Paris
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Reise nach Indien
"Erinnerung an Vergangenes und Sehnsucht nach der Zukunft bewirken nur Unruhe."
Japan, China, Bali und Die Liebe und ihr Henker
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Und Nietzsche weinte
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Die rote Couch
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Die Reise mit Paula
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Wie man Grieche wird
[...] ich bin als Autor [in Griechenland] bekannter als irgendwo sonst. Warum dies so ist, habe ich nie verstanden.
Im Hilton [in Athen] ging ich in eine Pressekonferenz mit etwa zwanzig Journalisten. Ich hatte noch nie, weder in den Vereinigten Staaten noch in einem anderen Land, eine Pressekonferenz gehabt. Näher bin ich echter Berühmtheit nie gekommen.
Am nächsten Tag signierte ich Bücher in der Buchhandlung Hestia, einem kleinen Laden im Zentrum von Athen. Ich habe davor und danach Dutzende von Signierstunden gehabt, aber dieses war die Urform aller Signierstunden. Die Schlange ging aus dem Laden heraus und acht Strassenblocks weiter, wodurch eine beträchtliche Verkehrsstörung entstand. [...] das Signieren [dauerte] fast vier Stunden, und ich signierte über achthundert neue und noch viel mehr ältere Bücher.
Der Panama-Hut
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Zwei Jahre mit Schopenhauer
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In die Sonne schauen
[...] am Tod ist für uns nicht nur der Verlust von Zukunft, sondern auch der Verlust der Vergangenheit so erschreckend.
Natürlich weiss ich seit Jahrzehnten abstrakt um diese Dinge und habe sie in Büchern und Vorträgen und vielen Therapiestunden betont, aber jetzt spüre ich sie, ich spüre, dass, wenn wir sterben, jede einzelne unserer kostbaren, freudigen, einzigartigen Erinnerungen mit uns verschwinden wird.
[...] je grösser das Gefühl von ungelebtem Leben, desto grösser die Angst vor dem Tod.
Ich nehme die Vorstellung sehr ernst, dass man, wenn man gut lebt und eigentlich nichts bereut, dem Tod mit mehr Gelassenheit begegnet.
Spätwerke
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SMS-Therapie
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Mein Leben in Gruppen
Ein Paradox des Lebens als Therapeut ist, dass wir bei der Arbeit nie allein sind, und trotzdem fühlen sich viele äusserst isoliert.
Ich war so beschäftigt, zu unterrichten und zu schreiben und für den Unterhalt meiner Familie zu sorgen, dass ich jetzt, wenn ich zurückschaue, das Gefühl habe, viel verpasst zu haben. Ich bedaure, dass ich nicht mehr Zeit mit jedem meiner Kinder verbracht habe.
Über Idealisierung
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Novize im Altern
Da nur wenige Psychiater in meinem Alter praktizieren, frage ich mich oft: Warum behandelst du noch immer Patienten? Es geschieht nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen; ich habe genug Geld, um angenehm zu leben. Vielmehr liebe ich meine Arbeit zu sehr, um sie aufzugeben, ehe es sein muss. Ich fühle mich privilegiert, dass ich am Privatleben so vieler Menschen teilnehmen darf, und nach so vielen Dekaden bin ich darin wohl gut geworden.
Da ich so vielen Menschen geholfen habe, mit dem Älterwerden umzugehen, dachte ich, ich wäre gut auf die bevorstehenden Verluste vorbereitet, aber ich finde es weit bedrohlicher, als ich es mir vorgestellt hatte.
Aber es gibt eine gute Seite am Gedächtnisverlust – indem ich die Handlung vieler Bücher vergesse, habe ich den Genuss, sie noch einmal zu lesen.