Jakob Kellenberger - Zwischen Macht und Ohnmacht

Annäherung an einen Diplomaten

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  • ISBN: 978-3038104407
  • Mein Rating: 7/10

Jakob Kellenberger - Zwischen Macht und Ohnmacht ist die Biografie von Jakob Kellenberger, einem Schweizer Diplomaten. In den 90er-Jahren verhandelte er als Chefunterhändler die Bilateralen Verträge I zwischen der Schweiz und der EU. Von 2000 bis 2012 war er Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), und war in dieser Funktion in den Krisenregionen dieser Welt tätig.

Ich fand Jakob Kellenberger - Zwischen Macht und Ohnmacht ein informatives Buch, welches mir einen kleinen Einblick in die Welt der Diplomatie und in das Wirken des IKRKs gewährt hat. Nicht nachvollziehen konnte ich den Entscheid des Autors, einzelne Kapitel zum Beispiel in eine Bergtour oder eine Vorlesung an der ETH einzubetten. Dadurch wirkte die Biografie auf mich nicht wie "aus einem Guss".

Meine Notizen

Vorwort

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Eine Nacht in Kandahar

Sein Grundsatz: Wo die [IKRK-] Delegierten sind, soll auch der Präsident hingehen können. Und zwar unbewaffnet und ohne Personenschutz. Wäre es für ihn zu gefährlich, dürften auch keine Delegierten vor Ort sein.

Der Anflug [auf den amerikanischen Armeestützpunkt Bagram] ist nicht ungefährlich, er erfolgt nach militärischen Regeln und ist nicht jedermanns Sache. Kellenberger kennt den Vorgang. In rund 10'000 Metern Höhe über dem Stützpunkt beginnt ein sturzflugartiger Abstieg. In einer engen Spirale lässt der Pilot das Flugzeug so schnell wie möglich fallen. Dadurch verringert sich die Gefahr, abgeschossen zu werden, weil die Maschine für Raketen weniger lang erreichbar ist.

Der Gesprächsverlauf ist typisch. Kellenberger weiss, was er tut und wie er vorzugehen hat. Zuerst zuhören und Verständnis entgegenbringen für das, was die Gegenseite als Ungerechtigkeit wahrnimmt. Dann die eigene Arbeit und die eigenen Ziele erklären. Und erst am Schluss kommt, womit mancher Verhandlungsführer fatalerweise einsteigt, ohne vorher zuzuhören: Sagen was Sache ist, ohne von der moralischen Hochebene aus Lektionen zu erteilen.

Bergtour mit Popper, Sloterdijk und Fontane

"Literatur und Philosophie beeinflussen, was ich wichtig finde, wie ich handle, wie ich in der Welt stehe." Auch seine "enorme Abneigung gegen Schwarz-Weiss-Denken" hat sich durch Studium und Lektüre gefestigt. "Aus der Literatur und der Philosophie weiss ich, dass das Leben aus lauter Nuancen besteht."

"Um zu einem möglichst sauberen, unabhängigen Urteil zu kommen, muss man Abstand halten, auch zu sich selbst. Das ist nicht einfach, man schafft das wohl kaum vollständig, aber man darf sich nie gehen lassen. Man darf sich nicht von Stimmungen gefangen nehmen lassen und sich dann in seinem Urteil täuschen. Man muss auf Distanz zur Stimmung gehen und beobachten. Das mache ich oft, ganz bewusst, was auch eine gewisse Einsamkeit bedeutet, ein gewisses Alleinsein. Das ist der Preis der Freiheit."

"Distanz macht auch ziemlich immun gegen Demagogie. Das ist gerade für einen Posten wie das IKRK-Präsidium wichtig. Man darf sich nicht einlullen oder einschüchtern lassen. Man darf sich nicht in Gefühlen auflösen, selbst dann nicht, wenn man leidet. Man muss Abstand bewahren, um handlungsfähig zu bleiben und seine Pflicht zu erfüllen."

"Bei der Verwendung von Worten ist immer höchste Achtsamkeit geboten. Sogar die Entscheidung, ob, wo und wann man sich auf ein öffentliches Gespräch einlassen will, muss sorgfältig getroffen werden."

"Wenn man sich zum Schreiben zwingt, zwingt man sich zusätzlich zum klaren Denken."

"Ja, das Wort ist mir wichtig, auch das gesprochene. Dies ist vielleicht mit ein Grund, dass ich nicht zu viel rede und nichts von leicht dahingeworfenen Sprüchen halte. Ich habe mitunter ein fast schmerzliches Bewusstsein für das Gewicht der Worte, und das macht mich sehr vorsichtig im Umgang mit Sprache."

Zerreissprobe in Washington

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Im Chalet Les Trois Arolles

"[...] wenige Leute über sich zu haben, ist am besten. Das habe ich immer versucht." Erstaunlich, bei seiner sonst so bescheidenen Art. Aber er bleibt dabei: "So lässt es sich am besten arbeiten." Diese Überzeugung hat seine Karriere mitgeprägt.

"Ich bin ein ziemlicher Rationalist. Ich investiere viel in menschliche Beziehungen, wo ich das Gefühl habe, es lohne sich. Sonst investiere ich nicht. In flüchtige Begegnungen bei Cocktails oder auf einer Party investiere ich keine Zeit, vor allem, wenn ich müde bin oder etwas anderes tun könnte. Aber ein ausländischer Minister, der mir sympathisch ist, den ich gut finde, und der sich für das interessiert, was ich mache und mich dabei unterstützt – der kann mich auch morgens um 1 Uhr anrufen und fragen, wie ich etwa die Situation in Syrien beurteilen würde."

Ein Unding sind für Kellenberger die unzähligen Preisverleihungen. "Das ist ein eigener Wirtschaftszweig, eine Industrie, die nur der Unterhaltung dient."

"Preisverleihungen sind zwar meine Sache nicht, gleichzeitig hat man Grund zur Dankbarkeit, wenn die eigene Arbeit anerkannt wird. Nicht teilnehmen wäre eine Form von Arroganz, und Arroganz ist eine Form von Dummheit."

"Je weniger sie sagen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie etwas Dummes sagen."

Im Bann des Sudan

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Die innere Temperatur der Schweiz

"Mein Leben war – als Chefdiplomat und auch später als IKRK-Präsident – zum grossen Teil ein Verhandlungsleben."

"Man droht nicht mit etwas, ohne es dann auszuführen. Sonst ist es der schnellste Weg zum Verlust der Glaubwürdigkeit."

"Ein harter Auftritt in der Sache verursacht keine Probleme, vorausgesetzt, das Gegenüber wird nicht verletzt. Lässt man es allerdings am nötigen Respekt fehlen, wird die Härte nicht mehr akzeptiert."

"Eine Verhandlung kann nur gelingen, wenn sie auch scheitern darf."

In der Hölle des Heiligen Landes

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Arroganz der Macht

Der Diplomat ist überzeugt, dass "man in der Sache sehr hart sein kann in einem Klima von Wohlwollen", wozu auch gegenseitiger Respekt und Respekt für die unterschiedlichen Standpunkte zählen. "Ohne Wohlwollen kann man nichts erreichen."

"Von Macht droht Unheil, wenn sie nicht Werten untergeordnet wird."

Der Leidgenosse

"Es ist doch klar, dass der Grosse vom Kleinen weniger abhängig ist als umgekehrt. Die Schweiz war für mich immer ein bedeutsames europäisches Land, das Ansprüche stellen sollte. Aber es ist ebenso klar, dass sie von der EU abhängiger ist als umgekehrt."

"[...] manche Leute lernen ihre Lektion erst, wenn man sie gegen die Wand fahren lässt."

"Das einzig Gute ist ein Regime, das einem ermöglicht, jederzeit Leute in der Regierung abzusetzen, wenn sie versagen, Leute, die nicht im Interesse des Volkes handeln. Das ist die Hauptleistung der Demokratie, nicht das Verhindern von Fehlentscheiden."