Auszeit am Baikalsee
Ein Jahr am Limit
von Werner Beck
- Buch auf Amazon
- ISBN: 978-3768833462
Auszeit am Baikalsee ist der Erlebnisbericht des Autors, der ein Jahr in einer Jurte am Baikalsee verbrachte. Im ersten Halbjahr wurde er dabei von seiner Frau begleitet, doch im Winter war er auf sich alleine gestellt...
Ich fand Auszeit am Baikalsee faszinierend und spannend. Der Autor beschreibt sehr schön diese selbstgewählte Einsamkeit, und geht auch auf die Probleme und Herausforderungen ein, mit denen er konfrontiert wurde. Schade fand ich, dass das Buch ziemlich abrupt etwa vier Wochen vor dem eigentlichen Ende des Aufenthaltes endet und der Rest in einer einzigen Seite zusammengefasst wurde. Hier hätte ich gerne noch mehr erfahren...
Meine Notizen
Angst, die Geisel der Menschheit, lähmt mit der ewigen Frage: "Ist das gefährlich?"
"Du kannst jedes Ziel erreichen, wenn du es nie aus den Augen verlierst." Eine abgedroschene Floskel, aber ich glaubte daran und glaube es heute noch.
Für Freunde und Bekannte sind wir schlicht "Spinner", die in ihrem Unverstand nicht wissen, was sie tun. Ausgesprochen wird das natürlich nicht.
Nur die eigene Erfahrung klärt die Frage: Ist weniger mehr?
Das Leben ist wie ein Lagerfeuer. Es kann gemütlich vor sich hin qualmen oder, mit dem Schürhaken in Aufruhr gebracht, aufregend lodern.
Die Bürokratie frisst Zeit ohne Ende.
Keine Zeitung, kein Radio, kein Fernseher, keine schlechten Nachrichten, keine Termine, keine gesellschaftlichen Verpflichtungen, kein Neid, keine Missgunst, kein Handy – es ist das Paradies.
Trotz der vielen Arbeit, trotz Schinderei, Plagerei und Kreuzschmerzen sind wir zufrieden, werden freier und leichter. In unser unkompliziertes und auf das Wesentliche reduzierte Leben kehrt Ruhe ein. Die Bedürfnisse der Seele sind bescheiden und einfach. Sie kosten kein Geld.
Bereits in Ust Barguzin erkundigten wir uns, wie viel Holz ein langer sibirischer Winter erfordert. Immer dieselbe Antwort: "Viel, sehr viel!" Aber keiner sagt genau, wie viel.
Ich werde nicht nur dünner, das Leben hier verändert mich auch. Ich bin bescheidener, freue mich über das Wenige und geniesse es intensiver als alle Schlemmereien und Kalorienbomben dieser Welt. Es ist ein gutes Gefühl, vor einem Teller zu sitzen, den wir dank der Natur gefüllt haben. Das Schönste dabei ist: Die Natur sorgt ständig für Nachschub.
Erst im Mangel wird das Wenige zum Besonderen.
Vor überfüllten Regalen schaltet das Gehirn blitzartig um. Sofort steht Konsum wieder ganz oben. Meine Gedanken kreisen um Wollen, Brauchen und Haben.
Und da ist sie, die russische Seele, hilfsbereit, unkonventionell und herzlich.
Unglaublich, unvorstellbar und unfassbar! Erst seit heute Morgen kennen wir diesen Menschen. Uneigennützig und unaufgefordert hilft uns Oleg und lässt unsere ganzen Probleme wie eine Seifenblase platzen. Wir sind beschämt. Würden wir das auch tun?
Wir vermissen uns. Wir schätzen uns mehr, wenn wir nicht rund um die Uhr zusammen sind.
Was mache ich Narr hier am Ende der Welt? Freiwillig, allein in Kälte, Eis und Schnee. Riskiere ich mein Leben, nur um Erfahrungen zu sammeln und Grenzen auszuloten?
Im Voraus erkannte Probleme sind kalkulierbar. Unerkannte Gefahren dagegen ängstigen mich, denn ich kann sie nicht einschätzen. Schicksal und Naturgewalten schlagen dann gnadenlos zu und zeigen mir, wie klein und machtlos ich bin.
Sie lachen und haben Spass am Einfachen und Wenigen. Trotzdem sind sie reich. Reich an Zeit. Beneidenswert. Ich denke an die hektische Welt, aus der ich komme, dort ist Zeit Geld.
Hier in stiller Natur ist der vollkommene Platz zur Selbstfindung. Nichts und niemand stört, wenn ich mich nur noch auf meinen Atem konzentriere und in ihm versinke. Der Geist wendet sich nach innen, stellt unerbittlich immer wieder die gleichen Fragen, bis er Antworten bekommt, oft unerwartete Antworten.