8000+

Aufbruch in die Todeszone

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  • ISBN: 978-3890294070
  • Mein Rating: 8/10

In 8000+ berichtet der Schweizer Extrembergsteiger Ueli Steck von seinen Expeditionen zu den höchsten Bergen der Welt.

Ich fand 8000+ ein faszinierendes Buch, obwohl ich weder bergsteige noch klettere. Seine Philosophie zum Bergsteigen hat mich stark an die agilen/lean Ansätze in der Software Entwicklung erinnert. Etwas unglücklich fand ich die Reihenfolge der Kapitel, so kommt zum Beispiel das Kapitel über den Mount Everest vor dem Kapitel "Erstmals auf 8000 Metern". Ich hätte mir auch noch gewünscht, mehr darüber zu erfahren, wie Ueli Steck sich auf solche Expeditionen vorbereitet.

Meine Notizen

Die Macht der Vernunft: Entscheidung am Everest

[...] irgendwann habe ich mich entschieden, nur noch das zu tun, wozu ich Lust habe, und mich nicht zu sehr von anderen leiten zu lassen.

Aber ich gehe eben nicht nur bergsteigen, um einen neuen Rekord aufzustellen oder eine unglaublich steile Wand zu klettern. Ich gehe bergsteigen, um meine Freude zu haben.

Zum Bergsteigen gehört, sich an neue Abenteuer zu wagen. Für mich war der Everest etwas Neues, ich war noch hier gewesen, und ich wollte diesen Berg mit eigenen Augen sehen. Aus diesem Grund war ich hier. Und weil ich wieder einmal an meine Grenzen kommen wollte – war es möglich, drei Achttausender nacheinander zu besteigen, innerhalb eines Monats?

Ich drehe um. So schnell wie möglich hinunter! Ich will keine einzige Zehe opfern, auch nicht für den Everest. Ich muss für mich selbst entscheiden, nur ich allein werde die Konsequenzen tragen.

Im Abstieg komme ich schnell voran. Nun erkenne ich die vielen Toten am Weg, die mir während des Aufsteigens gar nicht aufgefallen sind.

Wir verdrängen unsere Niederlage. Aber eigentlich ist es keine Niederlage, im Gegenteil, wir [Don Bowie und Ueli Steck] kommen beide heil zurück. Andere nicht.

Ich mag das Einfache, so wie ich am liebsten einfach meinen Rucksack packe und hinausgehe, auf irgendeinen Berg renne und zufrieden wieder nach Hause komme. Je einfacher man einem Berg entgegentritt, desto grösser ist das Erlebnis.

Ich könnte nie so an mein körperliches Limit gehen, wie es am Everest viele tun, einfach mit dem Urvertrauen, dass alles schon gut gehen wird – und wenn nicht, gibt es ja noch viele andere Bergsteiger, die ihnen schliesslich helfen müssen. Darauf würde ich mich nie verlassen; wenn es ums Überleben geht, können die anderen meistens auch nicht helfen, und zuletzt rettet jeder vor allem seine eigene Haut.

Achttausender bleibt Achttausender: Der "Einsteiger-Gipfel" Cho Oyu

Nichts ist an einem Achttausender wichtiger als in bestmöglicher körperlicher Verfassung zu sein.

Auf dieser Landstrasse drei bis vier Stunden zu wandern wäre eine Zerreissprobe für mich gewesen. Ich gebe es zu, ich bin nicht sehr gut im Wandern. Sobald es keine Strassen mehr gibt, macht es mir überhaupt nichts aus, im Gegenteil, da geniesse ich es, zu Fuss zu gehen – aber wieso sollte ich auf einer Strasse wandern?

Gegensätzlicher könnte Tibet nicht sein: Die Armee ist zum Teil mit modernster Technik ausgerüstet, während sich das einfache Volk als Yaktreiber und Händler durchschlägt.

Ich sass auf meinem Rucksack im Schnee und freute mich darüber, dass es Leute gab, die sich auf so etwas einliessen und die Besteigung eines Achttausenders versuchten. Jeder Mensch braucht doch seine Herausforderung im Leben, das macht das Dasein spannend und lebenswert!

Nicht unbedingt derjenige, der Höchstleistungen erbringt, war der "Erfolgreiche", sondern derjenige, der gutes Filmmaterial oder gute Bilder liefert. Diese Realität konnte gute Athleten unter Erfolgsdruck setzen.

Das Glück des Unbedarften: Erste Erfahrungen an hohen Bergen

So ein eiskaltes Biwak hat kein bisschen mit Erholung zu tun. Alles wird langsam kalt: Erst die Hände und Füsse, dann die Beine, und irgendwann ist man nur noch ein einziges Zittern.

Mit das Schwierigste an einem Alleingang am Limit ist, dass man sich mit niemandem austauschen kann, weder in der Wand noch nachher – niemand weiss, was man dort oben durchgemacht hat, man kann es mit niemandem teilen.

Schrecken und Faszination: Zwei Sommer an der Annapurna

Ich hatte Glück: Ich hatte zwar eine Gehirnerschütterung, aber es war nichts gebrochen. Auf der anderen Seite hatte ich aber auch Pech gehabt. Musste ein Stein, der sich auf vielleicht 7000 Metern irgendwo in dieser breiten Felsmauer löste, ausgerechnet genau auf meinen Kopf fallen?

In den Wochen nach diesem Unfall dachte ich viel nach. Ich beschäftigte mich vor allem mit der Frage, ob ich ihn selbst verschuldet hatte, fand aber, dass ein herabfallender Stein zu dem Restrisiko gehörte, das ich eingehen musste, wenn ich diese Wand klettern wollte.

Insgeheim wünschte ich mir, ich würde auch einmal an diesen Punkt gelangen – die Dinge so anzunehmen, wie sie waren, und damit glücklich zu sein.

Bergsteigen ist eben nicht nur spannend und mitunter gefährlich, es ist vor allem eine Sportart, bei der man Geduld braucht, manchmal unendlich viel Geduld. Man ist auf Gedeih und Verderb vom Wetter und den Verhältnissen abhängig.

Es sind nicht nur die glücklichen und erfolgreichen Momente, die uns im Leben weiterbringen, sondern auch die, in denen man lernt, etwas durchzustehen, oder in denen man den Mut hat, im richtigen Augenblick Nein zu sagen.

Wir würden alles versuchen, was in unserer Macht stand, aber wie bei jeder Rettung war oberste Priorität, dass nicht noch mehr Personen verunglückten.

Neben mir lag kein kranker Bergsteiger mehr, sondern eine Leiche.

Innerhalb der vergangenen Stunde hatte ich völlig umgeschaltet. Ich war wie in einen anderen Modus gewechselt: Ich sorgte nun nicht mehr für einen anderen, es ging auf einmal nur noch um mich selbst und darum, meine eigene Haut zu retten.

Ich dachte nichts mehr, ich funktionierte einfach, wie eine Maschine. In meinen Beinen spürte ich zwar eine bleierne Müdigkeit, aber ich wollte unbedingt weg. Ich wollte leben – und das bedeutete, dass ich absteigen musste, jetzt.

In meinen Augen ist es selbstverständlich, dass man alles versucht, um das Leben von jemandem zu retten, der in Not ist – mir war nicht nachvollziehbar, warum wir dafür einen Preis erhalten sollten.

Erstmals auf 8000 Metern: Gasherbrum II und Makalu

Es liegt nicht in meiner Natur, vorschnell zu sagen, dass es nicht geht.

Bis zum Schluss forderte mich der Berg bis aufs Letzte. Noch nie in meinem Leben hatte ich so gekämpft. Ein Kampf, der sich vor allem in meinem Kopf abspielte: Mein Verstand drängte mich dazu, aufzugeben, der Quälerei ein Ende zu machen. Mein Wille trieb mich weiter.

Ich verstand die Erfrierungen als Niederlage, so etwas passiert einem nur, wenn man einer Unternehmung nicht gewachsen ist.

Allein und schnell: Solo und Speed als Schritte zur Effizienz

Für mich gehört es zum Spannendsten am Bergsteigen, sich Projekte auszudenken und dann zu versuchen, sie in die Tat umzusetzen.

Je einfacher man sich einem Berg nähert, desto intensiver ist das Erlebnis.

Ich war mir in diesem Moment sicher, dass dies der letzte Moment war, in dem ich meine Frau lebend sah. Ich beobachtete, wie sie stürzte, einmal auf einem Band aufschlug, über die nächste Geländekante stürzte und ein zweites Mal aufschlug, diesmal mit dem Kopf. Vor der nächsten Kante blieb sie liegen, im Bach. Aber sie bewegte sich.

Natürlich hatten wir uns beide immer wieder mit der Möglichkeit eines Unfalls auseinandergesetzt, waren dabei aber immer davon ausgegangen, dass ich derjenige wäre, den es treffen würde.

Das ganze Leben wurde auf einmal relativ. Was war wichtig und was nicht? Ich machte mir bewusst, was ich eigentlich für ein Glück hatte und wie gut es mir in der Beziehung mit Nicole ging. Und um ein Haar wäre das für immer vorbei gewesen. Ich nahm mir vor, unsere gemeinsame Zeit noch bewusster zu geniessen und mir noch genauer zu überlegen, was in meinem Leben ich wirklich wollte und was nicht. Denn irgendwann würde die Zeit, die wir auf der Erde verbrachten, zu Ende sein. Über das, was danach kommen würde, konnten wir nur mutmassen, aber für unser gegenwärtiges Leben waren wir selbst verantwortlich, wir konnten es beeinflussen und gestalten.

Nicoles Unfall hatte mein Leben durcheinander gebracht. Wieso ging ich überhaupt bergsteigen? Was brachte es mir? Es traf eben nicht nur immer die anderen, es konnte auch mich treffen. War es das wert? Am Ende dieses Reifungsprozesses stand für mich die Einsicht, dass es sich lohnt, gewisse Risiken auf sich zu nehmen – solange man sich darüber im Klaren ist, welche Konsequenzen das haben kann.

Doch auch wenn man etwas nicht erreicht, lohnt es sich, es zu probieren. Eine Idee zu verfolgen, Energie hineinzustecken, zu trainieren, das alles fördert die Motivation.

Im Zenit: Überraschungserfolg am Shisha Pangma

Das Leben konnte so einfach sein, eine kleine Hütte, ein paar freundliche Menschen, und man fühlte sich fast wie zu Hause.

Du darfst nicht mit dem Finger auf andere Leute zeigen, du musst sie inspirieren!

Freddie Wilkinson

Man konnte noch so viel planen und sich überlegen, das Beste war meistens, jeden Tag zu nehmen, wie er kam.

Es ist immer dasselbe: Erst kann man es kaum erwarten, bis man auf dem Gipfel steht, dann will man, so schnell es geht, wieder hinunter.

Es sind genau diese Situationen, die zu Katastrophen führen, man ist müde und trifft aufgrund der Müdigkeit Fehlentscheidungen.